22.11.22 Feuerland

Nach einer ruhigen Nacht und einem schönen Frühstück sind wir wieder losgefahren. Nach zwei Stunden kamen wir wieder an die Grenze: Migracion und Adunas (Zoll) Chile, kein Problem, man fährt ja wieder raus (wer sich wundert: man muss, um – auf dem Landweg nach Ushuaia (südlichste Stadt des Kontinents, gehört zu Argentinien) zu kommen, durch Chile).

Erst 15km später kam die argentinische Grenzstation, wir dachten schon wir hätten sie verpasst. Steffen hat auf der Fahrt den Satz: „Kopf hoch Jungs, ihr kommt trotzdem in die nächste Runde“ auf Spanisch geübt, da Argentinien am Morgen spektakulär bei der WM gegen Saudi-Arabien verloren hatte (die Fußballbegeisterung ist überall in Argentinien groß, kaum ein Geschäft, dass nicht in den Landesfarben geschmückt ist, überall Bilder der Nationalspieler, Vamos Argentina und Wir erwarten den Titel, Anne will auch schon argentinische Fußballsocken kaufen, auch entsprechende Mate-Tassen gibt’s natürlich! Allerdings gibt es nicht so viele Fahnen an Autos wie jedenfalls sonst in Deutschland. Wie ist es diesmal ? Wir hatten schon Angst, dass wegen Staatstrauer die Grenze geschlossen ist. Zum Glück lief alles unkompliziert, es fand nicht mal eine Lebensmittelkontrolle statt.

Kurzer Exkurs zu Feuerland: Feuerland ist der südlichste Punkt der Erde, der nicht mit ewigem Eis bedeckt ist. Seit 10.400 v.Chr. ist Feuerland nachweislich besiedelt, vermutlich von Menschen, die ursprünglich aus Alaska kamen. Als die ersten Europäer kamen, lebten verschiedene Gruppen von Ureinwohnern auf der Insel, die Selk´nam, die Haush, die Kaweskar und am südlichsten die Yamana. Die ersten beiden Gruppen lebten auf dem Land als Jäger, die zweiten als Kanunomaden und Kanujäger. 1520 „entdeckte“ Magellan die Insel und taufte sie Feuerland, weil er die zahlreichen Feuer der Ureinwohner am Ufer sah. Er war aber nicht an Land, sondern nur an der Durchfahrt der Meerenge interessiert, die heutige Magellanstraße. 1578 folgte Drake, den aber ebenfalls nur die Durchfahrt lockte. Juan Ladrillero interessierte sich erstmals 1560 für die Ureinwohner und die Flora und Fauna der Insel. 1615 entdeckten zwei holländische Kapitäne, dass Feuerland eine Inselgruppe und nicht wie bisher angenommen, mit dem Südpol verbundenes Festland ist. Den südlichsten Punkt nannten sie nach ihrem Heimathafen Kap Hoorn. Auf Darwins Reise mit der Beagle unter dem Kommando von Fitz Roy wurde 1834 der Beaglekanal „entdeckt“.

Nach der Unabhängigkeit Chiles und Argentiniens entbrannte der Streit um Feuerland. Schließlich wurde 1881 Feuerland per Strich auf der Landkarte geteilt. Diese Teilung hatte zur Folge, dass man in den argentinischen Teil Feuerlands nur durch Chile gelangt. 1884 wurde Ushuaia als südlichste Stadt der Erde gegründet, um den Hoheitsanspruch von Argentinien auf diesen Teil der Insel zu unterstreichen. Da sich freiwillig niemand in dieser rauen Gegend niederlassen wollte, wurde 1902 ein Gefängnis gegründet, auch damit sich das Gefängnispersonal mit ihren Familien hier niederließ. 1942 wohnten 2100 Menschen in der Stadt. Auf dem argentinischen Teil, der 21.000 km² (etwa die Größe Hessens) umfasst leben heute ca. 126.00 Menschen, auf dem größeren chilenischen Teil mit 52.000 km² nur ca. 10.000 Menschen.

Bis 1975 lebten erst ca. 16.000 Menschen im argentinischen Teil Feuerlands. In der Zeit der Kirchner-Regierung von 2003-2015 erlebte Feuerland einen Boom, der die Bevölkerungszahl vervielfachte. Mit Steuerfreiheit lockte die Regierung internationale Unternehmen an, vor allem der Elektroindustrie. Auf Containerschiffen werden die Einzelteile von Haushalts- und Elektrogeräten nach Ushuaia gebracht und dort in großen Montagehallen montiert.

Während es im 17. Jahrhundert noch etwa 10.000 Ureinwohner auf der Insel gab, wurden 1910 nur noch 350 Menschen gezählt. Erst um 1860 hatte die Besiedlung durch die Weßen begonnen, in nur 50 Jahren waren die Ureinwohner faktisch ausgerottet. Die Gründe hierfür waren neben der brutalen Landeinnahme (z.T. gab es ein Pfund Sterling für jeden toten Ureinwohner) auch eingeschleppte Krankheiten, das Einsperren in Reservate und das Überjagen der Meeressäuger und somit den Entzug der Nahrungsgrundlage.

Das Klima in Feuerland ist extrem. Es heißt, dass man jeden Tag alle vier Jahreszeiten erleben kann, das können wir – fast – schon bestätigen.

Weiter ging die Fahrt noch zwei Stunden durch schöne, inzwischen deutlich hügligere Landschaft, meistens direkt am Meer entlang. Nach einer Rast in unserer geliebten YPF-Tankstelle (Empanadas und WLan) erreichten wir Tolhuin direkt am Lago Fagona. Dieser See ist 117km lang, aber nur bis zu 10km breit und reicht bis nach Chile. Er wird direkt aus den Gletschern gespeist und ist so klar, dass er für Trinkwasser genutzt wird.

Am Campingplatz wurden wir sehr freundlich von der Besitzerin und ihrem Sohn empfangen. Der Platz ist wirklich sehr speziell. Überall wurden aus Müll Kunstwerke geschaffen. Es gibt für jeden Platz (neben dem Asado natürlich) eine Hütte und ein Tippi aus Holz, in dem man das Zelt aufschlagen kann. Daneben werden auch Cabenas (kleine Hütten) vermietet. Aber wir fühlten uns nach kurzer Überlegung bei unserer Wir-sind-harte-Camper-Ehre gepackt. Wir haben uns direkt an den See gestellt und das Licht, die Wellen und das unglaubliche Panorama genossen. Leider nicht sehr lange, denn es war kalt (2 Grad) und sehr windig. Daran, das Dachzelt aufzuschlagen, war gar nicht zu denken. So haben wir (nachdem wir die Kisten in den Unterstand geräumt haben) nach dem Abendessen zum ersten Mal auf dieser Tour in der Chingi-Kabine geschlafen, auch so hat noch genügend gepfiffen und geschaukelt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert